Diese illuminierte Handschriftenseite auf Pergament stammt aus einem spätmittelalterlichen Chorbuch. Der lateinische Text in Rotunda-Schrift und die Quadratnotation der Noten verdeutlichen, dass in der christlichen Glaubenspraxis Schreiben und Lesen sowie Singen und Beten eine Einheit bildeten. Unten links rahmt eine ornamentale L-Initiale eine Miniatur, die die heilige Lucia zeigt. In der linken Hand hält sie einen Palmzweig, in der rechten ein Tablett mit zwei Augäpfeln. Zwei Legenden ranken sich um ihre Person, auf die die grausame Darstellung anspielt: Einer Erzählung nach stach sie sich selbst die Augen aus, um einer Heirat mit einem Heiden zu entgehen. Nach einer anderen verlor sie ihr Augenlicht während ihres Martyriums.

Die Kunsthistorikerin Beatrice Alai schrieb diese Malerei dem Buchmaler Baldassare Coldiradi zu, der im späten 15. Jahrhundert lebte. Auch das Blatt mit der Inventarnummer L.M.69 ordnete sie diesem Künstler zu.

Beide Einzelblätter gelangten 1921 als Teil der Linel-Sammlung in das damalige Kunstgewerbemuseum (heute Museum Angewandte Kunst). Dort dienten sie Künstler:innen und Handwerker:innen, insbesondere im Bereich der Ornamentik und Kalligrafie, als Vorlagen.